Der gewichtigste psychologische Erklärungsansatz geht davon aus, dass die Psyche der plötzlich auftretenden Lebensbedrohung in Form einer angenehmen Imagination entgegentritt. Der Schrecken über die Auslöschung des eigenen Seins ist so unerträglich, dass das Gehirn respektive das Bewusstsein zu ausserordentlichen Massnahmen greifen. Dafür spricht auch, dass die Inhalte von NTE’s deutlich kulturell geprägt sind und mitunter skurril anmuten. So reitet zum Beispiel ein Inder auf einer weissen Kuh zum Totengott Yama, während ein Europäer ein Taxi besteigt und so zu Jesus kommt. Der Arbeitslose findet im Himmel Fabriken und gute Jobs, während ein Indianer zu einem Tipi auf grüner Au heimkehrt. Oft entspricht der Inhalt von NTE’s aber nur teilweise oder überhaupt nicht den kulturellen oder persönlichen Vorstellungen der Betroffenen. Erschreckende NTE’s kommen als tröstliche Imagination oder hilfreiche Selbsttäuschung gar nicht erst in Betracht.

Schröter-Kunhart vermutet deshalb, dass die Fähigkeit zur Gestaltung einer Nahtoderfahrung einem gehirnbasierten, religiösen Erfahrungsmuster zu verdanken sei. Damit erklärt er auch, dass NTE’s – wie die damit verwandten mystischen Erfahrungen – entweder ekstatisch beglückend oder erschreckend bedrohlich seien.[1]Michael Schröter-Kunhart, Mögliche neurophysiologische Korrelate von Nah-Todeserfahrungen, in: A. Dittrich, A. Hofmann, H. Leuner (Hg.), Welten des Bewusstseins, Berlin 1993, S. 57-75.

Allerdings treten NTE’s nicht ausschliesslich während plötzlich auftretender Todesgefahr auf. Auch Menschen in komatösen Zuständen mit massiv eingeschränkter Hirnfunktion und ohne vorangehende Möglichkeit der bewussten Erwartung des Todes können NTE’s durchleben, gelegentlich auch Menschen in meditativer Versenkung.

Referenzen

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1 Michael Schröter-Kunhart, Mögliche neurophysiologische Korrelate von Nah-Todeserfahrungen, in: A. Dittrich, A. Hofmann, H. Leuner (Hg.), Welten des Bewusstseins, Berlin 1993, S. 57-75.