Seit der Erscheinung von Moody’s epochalem Buch „Leben nach dem Tod“ (engl. Life after Life, 1975) wird das Phänomen der Nahtoderfahrungen verbunden mit einer der wesentlichsten Menschheitsfragen: dem Weiterleben nach dem Tod. Können Nahtoderfahrungen Hinweise auf ein Weiterleben nach dem Tode geben, gar ein Weiterleben ausserhalb des Körpers beweisen? Beschreiben die subjektiven Erfahrungen allgemeingültige jenseitige Wirklichkeiten?

Solche Fragen beschäftigen vor allem Menschen ohne Nahtoderfahrung. Die meisten Menschen, die eine NTE gemacht haben, sind vom Realitätsgehalt des Erlebten überzeugt und gehen somit explizit von einer anderen Wirklichkeit aus, ebenso von einer Existenzmöglichkeit ausserhalb des eigenen Körpers. Darin begründet liegt die mehrfach nachgewiesene Reduktion der Angst vor dem Sterben und dem Tod.

Die Mehrheit der Menschen hat in ihrem Leben aber keine Nahtoderfahrung gemacht. Viele beschäftigt die fundamentale Frage, ob Nahtoderfahrungen den Seelenbeweis erbringen und Aussagen über ein Leben nach dem Tod machen können. Die Forschung hat sich dieser Frage jedoch kaum angenommen. Sie hat viel geleistet im neurophysiologischen, psychologischen und soziologischen Bereich. Dass es kaum Forschungsarbeit zur Frage des Weiterlebens nach dem Tode gibt, liegt nicht nur in den Unwägbarkeiten begraben, die mit dem Nachweis einer solchen Hypothese verbunden wären. Bei der Untersuchung dieser Frage droht vor allem das Risiko, von anderen Wissenschaftler nicht mehr ernst genommen zu werden.

Prof. Dr. Bruce Greyson, damals Neuropsychiater an der Universität Virginia und führender Wissenschaftler über NTE,  spricht an einem Symposium der Nure-Foundation über das fragliche wissenschaftliche Paradigma des Naturalismus.

In unserem wissenschaftlich geprägten Zeitalter ist zu erwarten, dass Forschende dem naturalistischen biopsychologischen Erklärungsansatz den Vorzug geben. In dieser Modellvorstellung ist die menschliche Psyche ein Produkt angeborener genetischer Eigenschaften und soziokultureller Faktoren, somit jeder Denkprozess letztendlich gehirnbasiert. Mit dem Hirntod endet die Möglichkeit menschlichen Bewusstseins. Dieses Konzept hat viele Begriffe. Man nennt es materialistisch oder reduktionistisch (Reduktion auf die Materie als Ursache), naturalistisch oder monistisch (von gr. monos: eins. Das Bewusstsein entstammt einzig dem Gehirn) sowie biopsychologisch (Bewusstsein als biologisches Produkt resp. als Hirnprodukt). Alle diese Bezeichnungen stehen für die Annahme, dass Wahrnehmungs- und Denkprozesse einzig und allein hirnbasiert sind. Die Psyche ist unter dieser Annahme ein Produkt des Gehirns. Die transzendenten Erfahrungen einer NTE sind somit ein „Streich“ dieses komplexen Apparates aus Fett und Eiweissen. Dem Betroffenen „gaukelt“ das Hirn nur vor, eine andere Dimension zu erfahren. Im Unterschied dazu geht das dualistische Konzept (von lat. dualis: zwei enthaltend) von der zusätzlichen Existenz eines immateriellen Bewusstseins aus. Man nennt diese Interpretation auch die “Überlebenshypothese”.

Die Vertreter der in unserer Gesellschaft vorherrschenden materialistischen respektive monistischen Ansicht sind sich ihrer Ansicht meist so sicher, dass Sie wissenschaftlich fundierte Beobachtungen, die ihre Position zu widerlegen scheinen, übergehen. Ein Beispiel dafür ist der Artikel der Neurowissenschaftler Watt und Mobbs in einer namhaften Wissenschaftszeitschrift.[1]Mobbs S., Watt C. (2011). There is nothing paranormal about near-death experiences. Trends in Cognitive Sciences, 15, 447-449. Vielleicht nicht einmal absichtlich oder bewusst, sondern aus blosser Unkenntnis klammern sie in ihrem Versuch, Nahtoderfahrungen als profanes und erklärbares Phänomen darzustellen, alle paranormalen Aspekte aus.[2]Greyson B., Holden P., van Lommel P. (2012). „There is nothing paranormal about near-death experiences‘ revisited: Comment on Mobbs&Watt“ Trends in Cognitive Sciences, 16, 445. Dies ganz im Sinne der humoristischen Kritik des Astrophysikers Paul Willard Merrill  „wenn unpassende Werte weggelassen werden, passen die anderen ganz gut“.[3]Merill, P.W., Spectra of long period variable stars. University of Chicago Press. Chicago 1940

Das Prädikat der Unvoreingenommenheit darf aber nicht nur auf diejenigen Bereiche beschränkt sein, die ins aktuelle Weltbild der Forschenden passen. Die Wissenschaft müsste an den sogenannten paranormalen Phänomenen sogar besonders interessiert sein, da durch diese gängige Theorien in Frage gestellt, allenfalls auch falsifiziert und korrigiert werden könnten. Dies geschah beispielsweise mit der früher als unumstösslich geltenden klassischen Physik, die nach Verifizierung der Quantenphysik und Relativitätstheorie korrigiert werden musste. Leider aber werden die sogenannten paranormalen Phänomene von den meisten wissenschaftlich geprägten Menschen a priori als Täuschung oder Fälschung abgetan. Das sich dabei verliehene Prädikat des „Skeptikers“ wird dadurch reichlich strapaziert. Eine kategorische und strikte Ablehnung der blossen Möglichkeit paranormaler Phänomene liegt nicht in skeptischer Überprüfung begründet, sondern meist in simplem Unglauben. Die persönliche und gängige Anschauung wird damit unter dem Prädikat der skeptischen Wissenschaft zum Dogma erhoben. Gerade aber das Erforschen von Nahtoderfahrungen setzt eine offene Sichtweise voraus, ohne einseitige Fokussierung oder a priori Negierung wichtiger Teilbereiche. Im Folgenden sollen auf dieser Webseite sowohl die Argumente der reduktionistisch-materialistischen wie auch der dualistischen Überlebenshypothese gesondert dargestellt werden.

Referenzen

Referenzen
1 Mobbs S., Watt C. (2011). There is nothing paranormal about near-death experiences. Trends in Cognitive Sciences, 15, 447-449.
2 Greyson B., Holden P., van Lommel P. (2012). „There is nothing paranormal about near-death experiences‘ revisited: Comment on Mobbs&Watt“ Trends in Cognitive Sciences, 16, 445.
3 Merill, P.W., Spectra of long period variable stars. University of Chicago Press. Chicago 1940