Susanne Blackmoore nahm an, dass Tunnelerlebnisse die Folge einer zentripetal verlaufenden, retinalen Ischämie sein könnten, also einer durch Blutdruckabfall ausgelösten, von aussen nach innen verlaufenden Blutarmut im Netzhautbereich.[1]S. J. Blackmore, T. Troscianko, The physiology of the tunnel, in: J. Near-Death Stud., Nr. 8, 1988, S. 15-28. Dabei komme es in den Nervenzellen der Netzhaut zu Entladungen, die dann im Gehirn die Erfahrung des Durchwanderns eines Tunnels simulieren würden. Gestärkt wird diese Theorie durch Erfahrungen von Kampfpiloten, die unter Trainingsanordnung bei starker Beschleunigung kurz vor dem Bewusstseinsverlust Lichteffekte und tunnelähnliche Erlebnisse haben können. [2]J. E. Whinnery, A. M. Whinnery. Acceleration-induced loss of consciousness. Arch neruol. 47, 1990, S. 764-776. Diese Hypothese könnte auch erklären, warum das helle Licht die Augen nicht verletzt, da ja keine wirkliche Strahlung auf die Netzhaut trifft sondern nur eine übermässige Entladung in diesen Zellen stattfindet. Auch wurde eine Fehlfunktion des visuellen Kortex diskutiert mit Illusionen oder Halluzinationen der Sehrinde.

Entladungen in der Netzhaut als auch im visuellen Kortex können jedoch die während NTE’s auftretenden komplexeren Formen von Tunnelerlebnissen nicht erklären. Dazu bräuchte es das Zusammenspiel weiterer Hirnareale. Zudem wird das Licht in den NTE’s einheitlich als anziehend beschrieben, da es neben seiner Helligkeit auch weitere, sehr intensive positive Empfindungen hervorruft wie Friede, Liebe, umfassendes Verstehen oder Erkennen. Weiter können auch Figuren in diesem Tunnel erscheinen, seien dies Verstorbene oder engelhafte Wesen. Letztendlich wird oft von einem dreidimensionalen Gefühl der Bewegungsrichtung gesprochen, typischerweise aufwärts bei glückseligen und abwärts bei erschreckenden NTE’s. Alle diese zusätzlichen Wahrnehmungen sind nicht mit Sehprozessen zu erklären.

Normalerweise treten unter kritischem Blutdruckabfall mit Bewusstseinsverlust (Synkopen) kaum je Tunnelerlebnisse auf. Die Vorzeichen bestehen eher aus verschwommener oder schwindender Sehkraft, Farbwechsel oder Schwarzwerden (Black-out). Das am häufigsten auftretende Symptom des Schwarzwerdens vor Augen liegt darin begründet, dass der Augeninnendruck etwas höher liegt als der Hirndruck und deshalb die Netzhaut früher als das Gehirn nicht mehr richtig durchblutet wird. Deshalb schalten die Netzhautzellen vor der Sehrinde ab, womit in der Sehrinde noch kurzzeitig ein Schwarz wahrgenommen wird, bevor auch die Hirnrinde abschaltet, das bewusste Wahrnehmen eingestellt wird und die Ohnmacht folgt.

Referenzen

Referenzen
1 S. J. Blackmore, T. Troscianko, The physiology of the tunnel, in: J. Near-Death Stud., Nr. 8, 1988, S. 15-28.
2 J. E. Whinnery, A. M. Whinnery. Acceleration-induced loss of consciousness. Arch neruol. 47, 1990, S. 764-776.