Das Phänomen der Nahtoderfahrungen (NTE) erlangte vor allem deswegen rasch eine hohe Popularität, weil erstaunlich viele paranormale Erlebnisse in der Nähe des Todes auftreten und weil der Inhalt der Erfahrungen von eindrücklicher und berührender Transzendenz ist. Aus naturalistischer oder materialistischer Perspektive sind beide Phänomene keinesfalls gegeben oder selbstverständlich, umso mehr, als dass NTEs scheinbar unabhängig vom Zustand des Gehirns oder von der unmittelbaren Erwartung des Todes auftreten können. Einzig die Nähe zum Tod, ob erkannt oder unerkannt, ob vermeintlich oder real, ist der gemeinsame Nenner respektive Auslöser von NTEs.
In grossen Gefahrensituationen bei gleichzeitig intakter Hirnfunktion würde man erwarten, dass der Aufmerksamkeitsfokus einzig und absolut auf das aktuelle Geschehen konzentriert ist, also auf die direkte Umgebung und wie man sich aus dieser Situation retten kann. Es ist schliesslich für jedes Lebewesen absolut entscheidend, durch adäquate Reaktion die gefährlichsten ein bis zwei Sekunden einer plötzlichen Bedrohung durch einen Unfall oder einen Angriff zu überstehen. Stattdessen erleben Menschen mit NTEs genau während solchen Situationen ein „Herausgehobenwerden“ oder ein „Dazwischenschieben“ sehr intensiver, zeitlich enorm gedehnter und mit dem direkten Verlauf des Unglücks nicht im Zusammenhang stehender Erlebnisse.
In Situationen mit Ausfall der Vitalparameter und dementsprechend sehr raschem Eintrüben des Bewusstseins würde man wiederum – wenn überhaupt – alptraumähnliche und chaotische Gedankenfetzen erwarten und keine hochstrukturierten NTEs. Dass trotzdem in beiden Situationen NTEs mit komplexem Sinngehalt auftreten, spricht in seiner Gesamtheit eher für eine dualistische Interpretation.
Ebenso erstaunlich und unerwartet wie das Auftreten von NTEs im Allgemeinen, ist der Umstand, dass der Sinngehalt der Erfahrung extrem hoch ist. Dem wird oft zu wenig Beachtung geschenkt. Bei Delirien beispielsweise dominieren Verwirrung, Angst und unlogische, oft paranoide Inhalte. NTEs liegen demgegenüber am anderen Ende des Erfahrungsspektrums. Sie sind hochstrukturiert, logisch aufgebaut und vor allem auf sinnvolle Weise in einen übergeordneten und transzendenten Kontext eingeordnet. Ein Blick auf die Varianten der Ausserkörperlichen Erfahrungen macht dies deutlich. Die Betroffenen erleben sich nicht nur in einer Position oberhalb des Körpers, sondern erfahren gleichzeitig eine ganze Palette von Qualitäten, die zu einem wirklichen ausserkörperlichen Zustand passen: am Anfang wie auch gegen Ende der Ausserkörperlichen Erfahrung schweben sie horizontal. In diesem Zustand sind sie schmerzlos und können weder frieren noch Hitze empfinden. Sie können sich durch den Raum mittels Willenskraft bewegen und andere Räume und Orte besuchen. Dabei wird man von anderen Personen aber weder gesehen noch gehört. Dies ist eine weitere, sehr konsistente Erfahrung, die weder unserem Alltags- noch Traumerleben entspricht: die Betroffenen können sich also gegenüber Rettungskräften oder umstehenden Familienmitgliedern nicht bemerkbar machen, so sehr sie sich auch bemühen. Gleichzeitig können sie mit der andersgearteten und überlappenden transzendenten Welt in Kontakt treten. Oft erscheinen helle Wesen oder bekannte Verstorbene, mit welchen man telepathisch kommuniziert. Ebenfalls zu einem wirklich ausserkörperlichen Zustand passend, greifen Betroffene beim Versuch, die in der Nähe ihres physischen Körpers befindlichen Menschen anzufassen, durch diese hindurch. Gelegentlich wird dabei ein Widerstand, ähnlich einer elektrischen Ladung, wahrgenommen. Kommt es zu einer Änderung der Umgebung, weg von der diesseitigen Krankensituation in ein transzendentes Jenseits, so ist wiederum sinngebend ein Verbindungskanal vorhanden. In westlichen Kulturen wird dieser Durchgang meist mit einem Tunnel verglichen. Das Licht, dem man am Ende des Tunnels begegnet, ist bezeichnenderweise enorm hell und voller Liebe, aber nicht blendend. Schliesslich ist auch das Lebenspanorama ein hochgradig moralisch aufgeladenes und damit sinngebendes Element. Die Liste solcher passend in den Kontext des Überganges in einen transzendenten Zustand eingebetteter Elemente liesse sich noch weiter verlängern. Abschliessend aber sei nur noch der Umstand erwähnt, dass NTEs oft damit enden, dass die Betroffenen in ihr Leben zurückgesendet werden oder – vor die Wahl gestellt – sich dazu entscheiden.