„Ich habe niemals auch nur das Geringste gesehen, kein Licht, keinen Schatten, überhaupt nichts. Sehr viele Leute fragen mich, ob ich Schwarz sehen kann. Nein, auch Schwarz sehe ich nicht. Ich sehe überhaupt nichts. Und in meinen Träumen habe ich keine visuellen Eindrücke. Dort gibt es nur Geschmack, Gefühl, Geräusch und Geruch. Zunächst kann ich mich daran erinnern, dass ich im Harbour View Medical Centre war und auf alles hinabschaute. Es war beängstigend, denn ich war es nicht gewohnt, etwas visuell wahrzunehmen, das war mir vorher noch nie passiert! Am Anfang war es ziemlich unheimlich! Aber dann erkannte ich meinen Ehering und mein Haar. Und ich dachte: >Ist das mein Körper da unten? Bin ich etwa tot?< Sie schrien immer wieder: >Wir können sie nicht zurückholen, wir können sie nicht zurückholen.< Und … sie arbeiteten wie besessen an diesem Ding, von dem ich jetzt wusste, dass es mein Körper war, obwohl er mir eigentlich nichts bedeutete. Ich hatte so ein Gefühl von >na und?< und dachte nur: >Warum regen die sich denn eigentlich alle so auf?< So waren meine Empfindungen. Ich beschloss fortzugehen, denn ich konnte diese Leute einfach nicht dazu bringen, mir zuzuhören. Allein schon bei dem Gedanken bewegte ich mich nach oben, quer durch die Decke, als ob sie gar nicht da wäre. Es war fantastisch, draußen zu sein, mich frei zu fühlen und mir keine Sorgen darum machen zu müssen, wogegen ich dieses Mal wieder stoßen würde. Ich wusste auch, wohin ich unterwegs war. Ich hörte einen rauschen — den Klang wie von einem Windgong; es war der unglaublichste Klang, den man sich vorstellen kann er war vom tiefsten bis zum höchsten Ton zu hören. Als ich mich diesem Gebiet näherte, waren Bäume, Vögel und viele Menschen dort, aber sie wirkten wie Lichtgebilde. Und ich konnte sehen. Es war unglaublich, wirklich fantastisch, ich war überwältigt von dieser Erfahrung, denn schließlich hatte ich nie eine Vorstellung davon gehabt, was Licht eigentlich ist. Es gab noch … es bewegt mich noch sehr, wenn ich darüber rede, wenn  … denn es gab einen Moment, in dem ich … in dem ich fühlte, dass mir, wenn ich nur wollte, alles Wissen offenstand. Und in dieser anderen Welt >sah< ich einige Bekannte, die mich willkommen hießen. Insgesamt waren es fünf. Debby und Diane waren früher meine Schulfreundinnen, aber sie waren schon vor langer Zeit gestorben, in einem Alter von elf und sechs Jahren. Als sie noch lebten, waren sie beide minderbegabt und blind. Hier aber >sahen< sie strahlend, schön. gesund und vital aus. Sie waren offenbar keine Kinder mehr, sondern standen >in der Blüte ihres Lebens<. Außerdem >sah< ich zwei der Betreuer aus meiner Kindheit wieder, ein Ehepaar, Herr und Frau Zilk hiessen sie; auch sie waren beide verstorben. Schließlich war da noch meine Oma – bei der ich eigentlich aufgewachsen war. Sie war zwei Jahre vor diesem Unfall von uns gegangen. Meine Oma, die ein wenig abseits stand, streckte die Arme nach mir aus, um. mich zu umarmen Und dann wurde ich zurückgeschickt und kehrte zurück in meinen Körper. Der Schmerz war unerträglich und brutal. Ich kann mich erinnern, dass ich mich fürchterlich krank fühlte.“

Textquelle: Kenneth Ring und Sharon Cooper, Wenn Blinde sehen. Nahtoderfahrungen bei Blinden, Goch: Santiago-Verlag, 2011. Exzerpt aus: Pim van Lommel, Endloses Bewusstsein: Neue medizinische Fakten zur Nahtoderfahrung. Patmos Verlag, Düsseldorf 2009, S. 52f.