„Es war eine Traumgeburt, die Geburt unseres dritten und jüngsten Kindes, im April 1987. Mein Mann ging nach Hause um die Neuigkeit der Familie mitzuteilen.
Es blutete nach, wie bei jeder Geburt aber unspezifisch unregelmässig und es wurde hektisch um mich herum. Ich bekam Angst um mein Leben, haderte mit meinem Schicksal.
Ich wurde notfallmässig in Narkose gelegt.
Ich habe einen kurzen Augenblick aus einer dunklen Ecke heraus auf einen ausgestreckten Körper gesehen. 6 Personen kümmerten sich darum. Mich kümmerte es nicht. Ich schwebte durch einen dunklen Raum vorwärts und gleichzeitig rückwärts auf ein immer grösser werdendes Licht zu. Ein wunderbares Gefühl.
Irgendwann stand ich in diesem Licht, das sich sowohl innen wie ausser mir als eine unendlich liebevolle, wohltuende Umgebung zeigte und von der ich ein Teil war. Ich traf auf einen meiner verstorbenen Grossväter und sah andere, bekannte und unbekannte Personen. Es kamen Fragen. Dieses Fragestellen beinhaltete gleichzeitig die Antwort. Es war kein normales Reden, sondern mehr ein Gedankenaustausch unter den Anwesenden, von Herz zu Herz. Ich sah Worte durch die Umgebung fliegen, wie Untertassen. Einige trafen mich. Andere zogen an mir vorbei.
Ich konnte alles verstehen was da war. Alle Gefühle, Gedanken, Emotionen, Energien, oder wie man die Situation auch beschreiben mag, war Information. Alle Fragen waren gleichzeitig Antworten, die alles in ein Gefüge brachte, das die Liebe ausstrahlte. Es waren keine Verschönerungen da, sondern ein totaler Istzustand über die Dinge des Lebens.
Ich war wohl ausserhalb meines physischen Körpers, nicht aber ausserhalb meiner Persönlichkeit, die ich als so ganz wie nie zuvor verspürte.
Irgendwann erwachte ich aus dieser Situation und hatte Schmerzen am ganzen Körper. Arme und Beine wiesen viele Einstichstellen auf, durch die der Arzt Infusionen und Transfusionen legen wollte und die wohl nur mit Mühe gefunden wurden.
Mein Kind konnte ich kaum in die Arme nehmen, so schmerzten mich diese.
Abends kam der Arzt ins Zimmer und erklärte mir, dass er mich von weither geholt habe.
Die Gebärmutterarterie war gerissen.
Ich bekam einen riesen Schreck und es wurde mir erst jetzt bewusst, dass ich beinahe gestorben wäre. Ich litt danach unter Schuldgefühlen, Ängsten und Schlaflosigkeit und musste mich psychiatrisch behandeln lassen. Ich hatte keine Ahnung von NTE’s und war überfordert.

Ich nahm aus meiner NTE ein Bild mit, das mich seither beschäftigte. Ich sah eine junge Person, halb nackt, auf Zeitungen liegend, nach Gewalt, vor einem Holzregal und man findet sie lange nicht. Es war ein Schwarz-weiss Bild mit allen dazu gehörenden Emotionen, die ich nicht einreihen konnte.
Dieses Bild begleitete mich immer und damit auch meine Sorgen und Ängste, sobald meine Kinder ausser Haus waren. Ich begann eine Therapie auf komplementärer Basis.
Es war 11 Jahre später, als mein Mann eines Tages nach Hause kam und mir von einem Buch einer welschen Autorin (Evelyn Elsaesser-Valarino) über Nahtoderfahrung erzählte. Ich brach in Tränen aus und konnte ihm sagen, dass es genau das war, was ich damals erlebte. Jetzt konnte ich dem Grund meines Unwohlseins einen Namen geben. Mir wurde bewusst, dass ich keine Spinnerin bin, für die mich die Familie hielt und zweitens war ich damit nicht mehr alleine. Die Ängste, die mit dieser Vision natürlicherweise auftauchten wurden etwas reduziert. Es konnte aber durch Nichts gelöscht oder auf die Seite geschoben werden.

Mit knapp 18 Jahren zog unsere jüngste Tochter in ein eigens Studio in unserer Region.
Kurz vor ihrem 20. Geburtstag entschied sie sich für Ferien in Barcelona, ihrer Lieblingsstadt.
Am Tag der Abreise rief mich ihr Freund an und fragte nach Janine. Er war sehr besorgt, denn er konnte sie seit 24 Stunden nicht erreichen. Es war nicht Janine’s Art, kein Telefon entgegenzunehmen. Polizei und Ambulanz mussten bestellt werden.
Sie brachen die Tür auf und da kam mir das seit Jahren bekannte Bild entgegen, diesmal in Farbe und in ganzer Realität.
Eine junge Person, unsere Tochter, halb nackt auf Zeitungen liegend, vor einem Holzgestell, (Ein Regal, das das Zimmer in 2 Teile trennte.). Sie lag am Boden, wohl schon einige Zeit, wie mir die Helfer mitteilten.
Janine wurde reanimiert und ins Inselspital gebracht mit einer massiven Hirnblutung, auf Grund einer arterio-venösen Missbildung im Gehirn, von der wir erst hier erfuhren. Gewalt hatte sie zuvor durch einen Ex-Freund erfahren, gegen den ein Gerichtsverfahren lief.
Es war dieses Schwarz-Weiss-Bild, das ich seit meiner NTE 20 Jahre zuvor in mir trug, das mir Unbehagen bereitete, ohne dass ich dagegen etwas hätte tun können, das hier nun aufgelöst wurde.
Dieses Bild nun in Farbe vor mir zu sehen war schmerzhaft und gleichzeitig eine grosse Befreiung aus diesen Ängsten.
Im Inselspital wurde Janine dann noch zwei Mal operiert. Nach einer Woche mussten wir entscheiden, wie es weitergehen sollte. Tracheotomie und weiter auf ungewisse Zeit und dementsprechend ungewisse Zukunft an die Maschinen hängen, oder sie von den Apparaten nehmen und dem Leben den Lauf geben, egal wie es ausgehen würde.
Ich wusste inzwischen, dass ein Leben zwischen zwei Welten keine Lösung ist.
Ihre elementaren Reflexe waren nicht mehr da, nach dem sie aus dem künstlichen Koma heraus geholt wurde. Wir entschieden, gemeinsam mit den Ärzten, dem Pflegeteam und einer guten Seelsorge, Janine ihren eigenen Weg gehen zu lassen und sie von den Apparaten zu nehmen, egal,
wie es dann aussehen wird. Wird sie ohne Maschinen weiterleben können, so nehmen wir sie, wie sie dann sein wird. Wenn nicht, darf sie sterben und in einer anderen Existenz weiter leben dürfen.
Nach eineinhalb Stunden starb Janine im Beisein von uns Eltern.
Es waren wohl die schwierigsten Entscheidungen und Momente in meinem Leben.“

Emma Otero
Dipl. Pflegefachfrau
Biodynamische Körpertherapeutin
Familienfrau, Mutter und Grossmutter

Bellmund, im September 2015